SPD-Ratsherr Dieter Beele über seine Zeit als Betriebsratsvorsitzender bei der Iserlohner Brauerei, betriebliche Mitbestimmung und Solidarität unter Beschäftigten
Über ein Jahr Corona-Pandemie liegt hinter uns. Ein Jahr, in dem insbesondere Beschäftigte in den sozialen Berufen wie Pfleger:innen und Ärzt:innen, Erzieher:innen und Lehrer:innen an ihre Belastungsgrenzen gelangten. Der Fokus wird mehr als zuvor auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Kindertagestätten und Schulen gelegt und es wird deutlich: Hier muss etwas passieren! Die Sozialdemokrat:innen fordern deshalb zum 1. Mai, dem Tag der Arbeit: Solidarisiert euch mit Angestellten in den sozialen Bereichen, lasst uns gemeinsam dafür kämpfen, dass die Intensiv-Krankenschwester auf einer Covid-19-Station, der Pfleger in einer Senioreneinrichtung und die Erzieherin in einem Kindergarten angemessen bezahlt und die Arbeitsbelastungen durch mehr Personal und kürzere Wochenarbeitszeiten reduziert werden.
#GEMA1NSAM für mehr Solidarität
Unter dem Motto #GEMA1NSAM ruft die SPD zum 1. Maifeiertag in den Sozialen Medien zu Respekt im Miteinander, mehr Tarifbindung sowie Arbeits- und Umweltschutz auf. „Die Krise zeigt uns, wie sehr wir auf die angewiesen sind, deren Einkommen oft nur knapp zum Leben reicht. Sie verdienen mehr Anerkennung – auch finanziell“, fordert unser Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Wir unterstützen die Forderungen der Bundes-SPD und sind überzeugt: Solidarität (nicht nur) unter Beschäftigten und die Organisation von Angestellten in Gewerkschaften lohnt sich! Dies zeigt auch ein Beispiel aus der jüngeren Iserlohner Geschichte. Zum Tag der Arbeit haben wir uns mit Dieter Beele, der viele Jahre die Interessen der Beschäftigten der Iserlohner Brauerei vertrat, unterhalten und ihn nach seinen persönlichen Erfahrungen im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung gefragt.
Iserlohner Pilsener – das liebste Pils der Iserlohner:innen
Dieter Beele ist in Iserlohn kein Unbekannter: Der 70-Jährige ist seit fast 25 Jahren Ratsmitglied der SPD-Fraktion im Iserlohner Stadtrat und arbeitete über 38 Jahre lang bei der Iserlohner Brauerei, einem echten Sauerländer Traditionsunternehmen. Gegründet 1899 als Brauerei Iserlohn AG wurden bereits 1905 und 1906 über 11.000 Hektoliter Bier gebraut. Im Jahr 1920 erzielte man einen Umsatz von fast 1 Millionen Mark. Die Erfolgsgeschichte des Iserlohner Pilsener ging weiter bis ins 21. Jahrhundert: In den 1960er Jahren wurden erstmals über 100.000 hl gebraut, in den 1970ern über 300.000 hl, Anfang des 21. Jahrhunderts erreichte man in Spitzenzeiten über 400.000 hl pro Jahr.
Im November 2013 beantragte das Unternehmen Insolvenz, der Anfang vom Ende der Iserlohner Brauerei. Heute steht das ehemalige Brauereigebäude im Grüner Tal leer und erinnert an die guten alten Zeiten, in denen des Iserlohners liebstes Bier noch im Ort gebraut wurde.
Betriebsrat mit Tradition
Bis zu 150 Mitarbeiter:innen beschäftigte die Iserlohner Brauerei, einer von ihnen war seit 1975 Dieter Beele. Als Mitglied der NGG (Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten) fand er schon früh den Weg in den Betriebsrat der Brauerei, dessen Vorsitzender er 1987 wurde. Ein Jahr später trat Dieter Beele auch der SPD bei und ist seit 1994 ununterbrochen im Iserlohner Stadtrat vertreten. Er lebt mit seiner Frau in der Grüne, dem Stadtteil, der über ein Jahrhundert lang von der Brauerei geprägt wurde. Als Vorsitzender des Betriebsrates lag Dieter Beele stets das Wohl der Beschäftigten am Herzen. Ob im Bereich Arbeitssicherheit oder Tarifverhandlungen, auf Dieter Beele und seinen engagierten Einsatz war Verlass. Auch, als zu Beginn des neuen Jahrtausends die Verkaufszahlen einbrachen und viele kleinere Brauereien in Deutschland plötzlich von Schließungen bedroht waren.
Schließungspläne treffen die Belegschaft unvorbereitet
Ende 2002, Anfang 2003 wurde bekannt: Auch die Iserlohner Brauerei soll geschlossen werden. Dieter Beele erinnert sich, wie er von seinem Konzernbetriebsrat informiert wurde, dass eine Aufsichtsratssitzung für Anfang Januar 2003 geplant sei und auf der Tagesordnung stünde „Schließung der Brauerei“. „Da haben wir direkt am 6. Januar eine außerordentliche Betriebsversammlung einberufen, haben die Belegschaft informiert und die sind natürlich aus allen Wolken gefallen“, erzählt der ehemalige Betriebsratsvorsitzende im Gespräch.
Innerhalb kürzester Zeit organisierte Dieter Beele mit seinen Mitstreiter:innen eine Demonstration vor dem Konzerngebäude der Brau und Brunnen AG in Dortmund. „Da waren bestimmt 300 bis 400 Leute vor der Zentrale, nicht nur Kolleginnen und Kollegen, auch Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Iserlohn, die sich mit uns Beschäftigten solidarisierten.“ Auch der damalige Bürgermeister der Stadt Iserlohn, Klaus Müller, sowie zahlreiche weitere Vertreter aus Politik, Vereinen und Unternehmen unterstützten die Aktionen des Betriebsrates der Iserlohner Brauerei.
Regionale Investoren kaufen die Iserlohner Brauerei
„Es ist vorher nie gelungen, eine Brauerei vor der Schließung zu retten. Aber durch den Kampf der Belegschaft zusammen mit der Iserlohner Bevölkerung haben wir unserer Forderung Nachdruck verliehen: Verkauft uns an einen Investor, am besten an jemanden aus der Region“, so lautete der Appell. Und das Wunder geschah, noch 2003 fand sich eine Investorengruppe um den Iserlohner Gerd Heutelbeck, die die Iserlohner Brauerei kaufte. Gefeiert wurde die Rettung des Traditionsunternehmens und vieler Arbeitsplätze bei der Kundgebung zum 1. Mai 2013 mit allen Unterstützer:innen auf dem Alten Marktplatz in Iserlohn, zu einer Zeit, als noch regelmäßige Maikundgebungen in Iserlohn stattfanden.
Als „Motor in der Belegschaft“ bezeichnet Dieter Beele sich rückblickend selber, in all den Monaten musste er viel Überzeugungsarbeit leisten und – wie in den Jahren als Betriebsratsvorsitzender auch – das war nur möglich mit einer Frau an Dieter Beeles Seite, die dem dreifachen Familienvater Zuhause den Rücken frei hielt. Denn Betriebsräte arbeiten ehrenamtlich, viele Termine und Gespräche fanden nach Feierabend oder an den Wochenenden statt.
Warum mehr Betriebsräte gebildet werden sollten
Man spürt den Kampfgeist noch heute in Dieter Beele, der seit 2013 im Ruhestand ist und sich wünscht, dass sich wieder mehr Angestellte in Gewerkschaften und Betriebsräten organisieren. „Betriebliche Mitbestimmung ist heute noch genauso wichtig wie vor 20 Jahren“, so der engagierte Iserlohner. Zwar ist die Bildung eines Betriebsrates keine Pflicht, das Betriebsverfassungsgesetz sieht die Gründung eines solchen aber vor: In Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, werden Betriebsräte gewählt, heißt es dort. Als ehrenamtliche Interessenvertretung für die Belange von Arbeitnehmer:innen agiert der Betriebsrat als „Betriebspolizei“, die die Einhaltung von Vorschriften insbesondere zum Schutz von Arbeitnehmer:innen kontrolliert.
Es gilt ein besonderer Kündigungsschutz für Mitglieder von Betriebsräten, so dass sie die Rechte der Arbeitnehmer:innen effektiver einfordern und durchsetzen können, als einzelne Mitarbeiter:innen, welche mitunter arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten. Vorteile durch einen Betriebsrat ergeben sich aber nicht nur für die Beschäftigten, auch die Unternehmen profitieren von ihnen: Denn dort, wo Arbeitnehmer:innen sich und ihre Bedürfnisse ernst genommen fühlen und mit dem Betriebsrat einen Ansprechpartner auf Augenhöhe haben, mit dem sie Probleme und Sorgen offen besprechen können, erhöht sich nachweislich die Zufriedenheit dieser. In der Folge gibt es weniger Arbeitnehmerfluktuation und eine höhere Arbeitsleistung durch motivierte Mitarbeitende.
Gewerkschaften unterstützen Betriebsräte und Beschäftigte
Bei der erstmaligen Gründung eines Betriebsrates und auch in vielen weiteren Bereichen, wie beispielsweise bei Tarifverhandlungen, werden die Beschäftigten durch die Gewerkschaften unterstützt. Im größten Dachverband der Gewerkschaften in Deutschland, dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), sind insgesamt mehr als 6 Millionen Beschäftigte in den einzelnen Gewerkschaften organisiert. Zu den mitgliederstärksten zählen IG Metall und ver.di mit jeweils mehr als 2 Millionen Mitgliedern (Stand 2016). Die Gewerkschaft für Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die Dieter Beele und die Beschäftigten der Iserlohner Brauerei unter anderem bei der Durchführung von Warnstreiks innerhalb von Tarifverhandlungen unterstütze, ist ebenfalls im DGB organisiert.
Eine weitere große Dachorganisation ist der DBB Beamtenbund und Tarifunion. Alle Gewerkschaften stehen für Fragen von Beschäftigten zur Verfügung und unterstützen den Aufbau von Betriebsräten auch in Ihrem Unternehmen. Für mehr Solidarität unter den Angestellten, bessere Arbeitsbedingungen und faire Löhne in Iserlohn – und der gesamten Bundesrepublik!