Wir haben den diesjährigen Weltfrauentag am 8. März zum Anlass genommen, Frauen in der Iserlohner SPD-Ratsfraktion zu fragen, was sie sich für die Zukunft wünschen. Welche Erfahrungen haben sie gemacht in Beruf und Politik und welche Themen müssen politisch und gesellschaftlich unbedingt angegangen werden, damit Frauen in Deutschland endlich gleichberechtigt sind?
Frauen zwischen Kindern und Karriere

Eva Kitz ist Mutter dreier Kinder zwischen zehn und 19 Jahren. Sie ist Vorsitzende des SPD-Stadtverbandes sowie der SPD-Fraktion im Iserlohner Stadtrat und weiß aus eigener Erfahrung, vor welchen Herausforderungen viele junge Frauen stehen. „Kind oder Karriere?“, diese Frage müssen die meisten sich im Laufe ihres Lebens stellen, denn Beides zu vereinbaren ist fast unmöglich. „Die Strukturen in Deutschland lassen eine Vollzeitbeschäftigung beider Eltern gar nicht zu. In der Konsequenz muss ein Elternteil für einige Zeit zuhause bleiben oder die Erwerbstätigkeit reduzieren.“ Wegen der ungleichen Lohnverhältnisse in Deutschland, die erst kürzlich in einer im IKZ veröffentlichten Studie auf fast 20% Lohngefälle zwischen Männern und Frauen beziffert waren, bleiben noch immer über 90% der Frauen zuhause bei den Kindern.*
Rentenlücken durch Teilzeitarbeit

Daraus ergibt sich die altbekannte Rollenverteilung: Der Mann macht Karriere, die Frau bleibt bei den Kindern, arbeitet in den nächsten Jahren nicht selten in unterbezahlten Bereichen und in mitunter prekären Arbeitsverhältnissen auf 450€-Basis oder in Teilzeit. Die Auswirkungen sind immer dieselben, weiß auch Diana Naumann zu berichten. Sie ist eine von sieben Frauen, die für die SPD in den Rat der Stadt Iserlohn gewählt wurden. Selbst Mutter von vier Kindern zwischen zwölf und 19 Jahren kennt sie die Probleme, die im Spannungsfeld zwischen Job, Kinderbetreuung und Haushalt entstehen: „Man kann nicht allem gerecht werden. War ich Vollzeit arbeiten, blieben Haushalt und Kinder auf der Strecke. Gehe ich nur halbtags arbeiten, entstehen riesige Lücken in meiner Rentenversorgung – das ist ein Problem, über welches wir dringend sprechen müssen!“
Altersarmut und finanzielle Abhängigkeit

Neben der Gefahr von Altersarmut, die sich aus eben dieser Situation ergibt, und von der schon heute überproportional viele Frauen betroffen sind, sieht Anja Ihme noch ein weiteres Problem. Die Sozialdemokratin betont, wie abhängig Frauen mit kleinen Kindern von ihren Männern in finanzieller Hinsicht oftmals sind. Bei einer Trennung beispielsweise stehen diese häufig vor dem Nichts, sehen die Versorgung und Zukunft ihrer Kinder in Gefahr – und verbleiben aus Angst vor Armut in den nicht selten toxischen Beziehungen. Es gilt also, die Rechte von Frauen weiter zu stärken und neben dem Ausbau von Schutzräumen und Anlaufstellen wie Frauenhäusern und Familienberatungsstellen, junge Mütter auch finanziell besser abzusichern.
Als Sozialdemokrat:innen fordern wir deshalb:
- Den Ausbau der Kindertagesbetreuung mit flexiblen Öffnungszeiten,
- Kindertagespflege und Kindertagesbetreuung als frühkindliche Bildungseinrichtungen anzuerkennen und den Besuch allen Kindern kostenlos anzubieten,
- die Anrechnung von sogenannter Care-Arbeit – auch im Bereich der Pflege von Angehörigen – über die jetzigen 36 Monate pro Kind hinaus auf die Rente,
- den Kampf gegen Altersarmut durch eine stetige Anhebung der Grundrente, sowie
- die Stärkung der Rechte von Frauen, den Ausbau von Frauenhäusern und die bessere Absicherung von Frauen und Kindern, die sich von gewalttätigen oder narzisstischen Partnern trennen.
Warum feiern wir den Weltfrauentag?
Wir schreiben das Jahr 2021. Rosa Luxemburg, eine der ersten Frauen, die sich politisch engagierten, hätte in der vergangenen Woche ihren 150. Geburtstag gefeiert. Seit über 100 Jahren dürfen Frauen in Deutschland wählen und gewählt werden. Seit über 15 Jahren steht mit Angela Merkel eine Frau an der Spitze der Regierung der Bundesrepublik. Man könnte meinen, wenn Frauen erst Bundeskanzlerin werden können, steht ihnen alles offen. Und doch gibt es noch immer viele Bereiche, in denen Frauen benachteiligt oder diskriminiert werden oder stark unterrepräsentiert sind. Deshalb wird jährlich am 8. März an die Errungenschaften der Frauenbewegung erinnert. In Berlin ist der Internationale Frauentag seit 2019 ein gesetzlicher, arbeitsfreier Feiertag und wird mit Demonstrationen und anderen Aktionen begangen, um auf Klischees und veraltete Rollenbilder aufmerksam zu machen.
Frauen im Stadtrat weiterhin in der Unterzahl
Werfen wir einen Blick auf die Sitzverteilung im Iserlohner Stadtrat fällt schnell auf: Die Frauen in den Reihen der Ratsmitglieder sind noch immer in der Unterzahl. 22 Frauen, 47 Männer – das entspricht einer Quote von knapp über 30%. Die SPD ist die einzige Fraktion, die mehr Frauen als Männer stellt – von 13 Ratsmitgliedern sind sieben Frauen. Und nicht nur das, mit Eva Kitz steht der SPD als einzige Fraktion in Iserlohn eine Frau vor. „Frauen sind auf allen politischen Ebenen noch immer unterrepräsentiert, das fällt besonders in der Kommunalpolitik auf. Es kommt vor, dass ich an Sitzungen als einzige Frau teilnehme,“ erzählt Eva Kitz. Zwar wurden bei der Kommunalwahl 2020 mehr Frauen in den Rat gewählt, als in den vorherigen Legislaturperioden. Bei der Verteilung von Ausschussvorsitzen bleiben Frauen aber weiter benachteiligt. 18 Ausschüsse wurden nach der Wahl neu besetzt, nur fünf werden von Frauen geleitet. Drei von ihnen sind Sozialdemokratinnen.
Zahlen und Fakten
Iserlohner Stadtrat: 69 Mitglieder, davon 22 Frauen (32%)
SPD-Fraktion im Rat: 13 Vertreter, davon 7 Frauen (54%)
Emanzipation als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Verantwortung
Anja Ihme ist eine von ihnen, sie leitet seit Kurzem den Jugendhilfeausschuss und bekräftigt die Aussagen ihrer Vorsitzenden: „Dieses Phänomen sehen wir ja nicht nur in Politik und Verwaltung, auch in der Wirtschaft sind Frauen in Führungspositionen noch immer in der Minderheit.“ Neben einer Verbesserung der Strukturen und Rahmenbedingungen im Bereich Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind also weitere Schritte hin zu einer gleichberechtigten Gesellschaft dringend nötig. „Ich erinnere mich an Bewerbungsgespräche, in denen ich danach gefragt wurde, wie ich Job und vier Kinder organisiert bekommen will. Und die Stellen dann anderweitig besetzt wurden. Meinen Mann hat in Bewerbungsgesprächen noch niemand danach gefragt“, ärgert sich Diana Naumann. „Neben der schlechteren Bezahlung sehen wir Frauen uns noch immer gewissen Vorurteilen gegenüber, die einfach fest verankert sind in den Köpfen von Männern.“
Warum die Frauenquote wichtig ist
Auch deshalb fordern wir als Sozialdemokrat:innen eine verbindliche Frauenquote – nicht nur in Aufsichtsräten voll mitbestimmungspflichtiger und börsennotierter Unternehmen. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Teilhabe von Frauen 2016 sind in diesen Unternehmen 30% der Führungspositionen mit Frauen zu besetzen. „Für uns ist es wenig überraschend, dass all diese Unternehmen weiterhin erfolgreich sind – denn natürlich sind Frauen genauso gute Vorgesetzte, wie Männer. Die Frauenquote funktioniert“, ist Eva Kitz überzeugt. Doch noch immer werden zwei von drei Unternehmen ausschließlich von Männern geführt. Die Frauenquote war also bestenfalls ein guter Anfang auf dem Weg hin zu mehr Gleichberechtigung – auch in den Chefetagen.
Eltern als Vorbilder
Der Kampf für Gleichberechtigung von Frauen und Männern geht nicht nur Feminist:innen etwas an – er betrifft uns alle. Denn Gleichstellung fängt in den Familien und in der Partnerschaft an, sind sich die drei Iserlohner Ratsfrauen einig. „Die Eltern haben eine Vorbildfunktion. Teilen sie sich Haushalt und Kinderbetreuung, übernimmt auch der Vater Verantwortung für Wäsche und Kochen, leben wir ihnen echte Gleichberechtigung vor“, ist Eva Kitz überzeugt. „Für meine Söhne ist es doch total normal, dass auch der Papa eine Windel wechselt und die Mama arbeiten geht – ich bin mir sicher, dass sie das in ihren Familien auch so weiterführen werden.“
Sozialdemokrat:innen sind das Sprachrohr der Frauen
Und natürlich sind auch die drei Politikerinnen echte Vorbilder: Für unsere Töchter und Enkelinnen, aber auch für andere Mütter und Frauen. „Wenn wir Frauen nicht für unsere Belange eintreten, wer soll es dann machen?“ fragt sich auch Anja Ihme. Sozialdemokrat:innen haben einen maßgeblichen Anteil daran, dass die Themen Gleichstellung und Gleichberechtigung in den letzten Jahrzehnten auf der politischen Agenda gehalten wurden. „Wir freuen uns über jede Gleichgesinnte, die gemeinsam mit uns für noch mehr Gleichberechtigung und die Rechte der Frauen in unserer Stadt kämpfen will“, appelliert Eva Kitz als SPD-Vorsitzende an alle Iserlohnerinnen, sich politisch zu engagieren.
Unsere Ziele für mehr Gleichberechtigung in Iserlohn:
- Die Stärkung der Gleichstellungsstelle bei der Stadt und Weiterentwicklung der Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten,
- Auswirkungen der Pandemie auf die Situation von Frauen erfassen und nachhaltig verbessern, und
- die prekären Arbeitsverhältnisse im Bereich der OGS-Mitarbeiterinnen gesellschaftspolitisch thematisieren.
* https://www.diw.de/de/diw_01.c.673478.de/elterngeld_und_elterngeld_p…wie_vor_in_weiter_ferne.html und IKZ-Artikel vom 2.3.2021: „Wie Corona die ungleiche Bezahlung weiter verschlechtert“
Geschichtlicher Hintergrund
Der Internationale Frauentag oder auch Weltfrauentag wird jährlich am 8. März begangen. Er fand erstmals im März 1911 statt und wird seit genau 100 Jahren, nämlich seit 1921, am 8. März gefeiert. Er ist entstanden als Initiative sozialistischer Organisationen im Kampf um die Gleichberechtigung und das Wahlrecht für Frauen.